Fachwissen

Funksignale aus dem Körper


Von Helmut Zeddies,

Ein Mikrochip bestätigt die Tabletteneinnahme: KORSCH-Technologie macht es möglich.

Fast die Hälfte aller Patienten nehmen ihre Medikamente nicht wie verordnet ein. Einige nehmen sie gar nicht, andere nicht zu den gebotenen Zeiten und mit den richtigen Abständen oder in der richtigen Dosierung. Die Folgen sind unnötige Verschleppungen des Krankheitsverlaufs, Komplikationen und manchmal sogar Lebensgefahr, weil ein wichtiges Mittel nicht richtig wirken kann.

Innovation: der Chip zum Schlucken

Besonders betroffen sind alte und psychisch kranke Menschen mit Wahrnehmungsstörungen. Doch es gibt eine technische Möglichkeit, die Tabletteneinnahme zu kontrollieren: mit IEM-Tabletten. IEM steht für Ingestible Event Marker. Technisch betrachtet handelt es sich um eine Dreischichttablette, bei der die mittlere Schicht der Chip ist. Er ist auf der einen Seite mit Kupfer und auf der anderen Seite mit Magnesium beschichtet. Beide Stoffe kommen im Körper vor und sind völlig ungefährlich.

Zerfällt die Tablette und kommt der Chip daraufhin mit Magensäure in Berührung, erzeugt er eine nicht fühlbare elektrische Spannung. Diese wird von einem Pflaster auf der Haut des Patienten registriert, das das Signal an ein Smartphone weiterleitet. Entwickelt wurde diese Technik von dem US-amerikanischen Unternehmen Proteus Digital Health. Bereits 2012 hat die Zulassungsbehörde FDA die Technik mit Placebo für die USA zugelassen, seit 2015 darf der erste Wirkstoff damit bestückt werden. Doch der Weg dorthin war lang und erforderte viel Einfallsreichtum.

Manuel Bachmann hat die Entwicklung der Tablettenpresse für IEM als Projektleiter bei KORSCH begleitet. „Eine besondere Herausforderung stellte die Chip-Zufuhr für uns da. Unsere Pressen sind für Pulver optimiert. Die auf einer Blisterrolle liegenden Chips erforderten ein ganz neues System der Befüllung.“ Zudem erwiesen sich die kleinen Scheiben als sehr widerspenstig. „Ein Chip ist nur 1,1 Millimeter groß und er steckt in einer Trägerschicht mit einem Durchmesser von 3,5 Millimeter. Sie laden sich elektrostatisch auf und sind so leicht, dass sie schnell wegfliegen. Sie dürfen nicht mit Metall in Berührung kommen. All dies macht das Handling nicht einfach.“

Völlig neues Transportsystem

Für diese Aufgabe wurde eine für Dreischichttabletten geeignete XL 400 MFP entsprechend modifiziert und um eine Anfahrtsbahn für die Chips erweitert. Sie erinnert nicht nur optisch an eine Spielzeugeisenbahn: Am „Verladebahnhof“ werden die Chips aus zehn Blisterrollen entnommen und in einzelne kleine Transferschlitten, die “Carrier“, abgelegt. Über ein Förderband werden sie zu einem Einlaufrad transportiert, das an die Übergabeeinheit angeschlossen ist, welche als Schnittstelle zur Tablettenpresse fungiert. Die Chips werden auf dem Pulverbett der ersten Schicht abgelegt, die leeren Carrier werden wieder ausgeschleust und auf die Bahn zurückgeschickt.

Sowohl die Entnahme von der Blisterrolle als auch die Übergabe des IEM in die Tablette verfolgen fünf Kameras, so dass leere Tabletten und Transportschlitten sofort aussortiert werden. „Bis dieses Verfahren einwandfrei funktionierte, haben wir fast 18 Monate geforscht und sehr viel ausprobiert. Dieses Projekt war für alle Beteiligten eine große Herausforderung“, erinnert sich Manuel Bachmann.

Die XL 400 MFP und die IEM-Transporteinheit sind voll synchronisiert. Das gesamte Verfahren wurde von KORSCH zum Patent angemeldet.

 

Helmut Zeddies
Leitender Ingenieur, Nahrungsmittel- & Süßwarenindustrie; Technische- & Chemische Anwendungen