Zwei Spezialisten auf Innovationskurs
Seit dem 11. Januar 2021 ist es offiziell – die KORSCH AG geht mit dem französischen Hersteller von F&E-Tablettier-Equipment MEDELPHARM S.A.S. eine exklusive Vertriebspartnerschaft ein. Im Interview sprechen die Geschäftsführer Stephan Mies (KORSCH) sowie Ingrid Coyle und Bruno Villa (beide MEDELPHARM) über die Hintergründe der Zusammenarbeit, die Ansprüche an die gemeinsame F&E-Linie und die Visionen für die Zukunft.
KORSCH:Redaktion: Bitte berichten Sie uns doch zunächst, wie es überhaupt zu der Zusammenarbeit gekommen ist.
Stephan Mies: Bruno Villa und ich kennen uns bereits seit ungefähr fünfzehn Jahren. Ungeachtet unternehmerischer Konstellationen innerhalb dieser Zeitspanne haben wir uns regelmäßig ausgetauscht, trafen uns auf Messen und hatten eine gemeinsame Verbindung über unseren langjährigen Partner L.B. Bohle. MEDELPHARM entwickelt spannende, hochinnovative Produkte. Und wenn wir auf die 100-jährige Geschichte von KORSCH zurück-blicken, die ersten Erfolge mit unserer EK 0 und unsere bis heute bestehenden Verbindungen als oft exklusiver Lieferant für die pharmazeutischen Fakultäten vieler Universitäten, dann bedeutet diese Partnerschaft für KORSCH ebenfalls ein wenig „back to the roots“.
KORSCH:Redaktion: Beide Unternehmen sind familiengeführt. Spielte das für Ihre Partnerschaft eine Rolle?
Stephan Mies: Natürlich. Auch die ähnlichen mittelständischen Strukturen verbinden uns – Einsatz und Identifikation sind einfach größer als in einem Konzern. So treffen wir uns auf Augenhöhe – das ist wichtig. In vielen konstruktiven Gesprächen haben wir uns in den letzten Jahren immer intensiver über unsere Ziele und Strategien ausgetauscht und dabei festgestellt, wie gut sich unsere Produkte auf dem weltweiten Tablettiermarkt ergänzen können.
Bruno Villa: MEDELPHARM und KORSCH haben die gleichen, vereinenden Ansprüche an die Qualität und Leistungsfähigkeit ihrer Produkte. Dabei geht es uns gemeinsam nicht nur um die Langlebigkeit unserer in Frankreich (MEDELPHARM Simulatoren) beziehungsweise in Deutschland gefertigten Anlagen (KORSCH-Maschinen), sondern auch um gute Performancewerte, die Möglichkeit zu einem schnellen Produktwechsel mit einer entsprechenden GMP-konformen Reinigung und eine einfache Bedienbarkeit. Schließlich sollen die Anlagen nicht nur von hochqualifizierten wissenschaftlichen Mitarbeitern, sondern auch von gut geschultem Personal sicher und präzise bedient werden können. Denn was nützt das schnellste Auto, wenn ich damit nicht fahren kann?
KORSCH:Redaktion: Wie sieht Ihre Zusammenarbeit konkret aus?
Stephan Mies: Wir starten mit einer Vertriebspartnerschaft, das heißt: KORSCH führt ab sofort weltweit exklusiv die Produkte von MEDELPHARM im Portfolio. Wir sind mit unserem weltweiten Vertriebs- und Servicenetz damit Vertragspartner für alle potenziellen Kunden. Im Gegenzug greifen wir auf die etablierten Vertriebskanäle von MEDELPHARM in Frankreich und Belgien zurück. Somit können wir mit unserer XP 1 und der XL 100 ergänzend zu den beiden F&E-Produkten von MEDELPHARM – STYL’One Evo und Nano – die weltweit wohl fortschrittlichste Tablettierlinie für Forschung und Entwicklung anbieten. Zu dem Zeitpunkt, an dem es von der Simulation, über erste Pressversuche und das Scaling-up mit kleineren Chargen geht, stellt das Produktangebot von KORSCH einen nahtlosen Übergang her. Beide MEDELPHARM-Produkte stehen ab sofort für Vorführungen, Versuche und zu Schulungszwecken in den KORSCH Innovation Centern in Berlin, Boston, USA und später Mumbai, Indien zur Verfügung.
Bruno Villa: Für uns ist es ein großer Durchbruch, dass unser Vertriebsteam in Frankreich nun die ganze Anlagenpalette zum Tablettieren von F&E bis zur Produktion anbieten kann. Die STYL’One-Serie und die XL 100 sind eine perfekte Kombination. MEDELPHARM bedient im Tablettiersegment eine Nische, die aber wiederum für eine breite Anwenderschaft viele Vorteile bietet.
KORSCH:Redaktion: Welche wären das?
Ingrid Coyle: Die Tablettiersimulation hat man in der Pharmazie lange sehr skeptisch betrachtet. Hydraulisch funktionierende Simulatoren wurden als teure, Öl verlierende Instrumente abgewertet, die weit entfernt von Benutzerfreundlichkeit, einer Elite von Wissenschaftlern vorbehalten waren. In dieser Problemstellung haben wir bei MEDELPHARM – mit Wurzeln sowohl in der mechanischen als auch in der Softwareentwicklung – unsere Chance mit einem benutzerfreundlichen Gerät erkannt, das von der Flexibilität der Computer und der Stabilität mechanischer Tablettenpressen profitiert. Es schlummert immenses Optimierungspotenzial im F&E-Segment, das wir durch eine präzise, intelligente Simulationssoftware heben können. Mit der STYL’One Nano haben wir ein attraktives Entry-Level-Produkt auf den Markt gebracht, das jede F&E-Abteilung in Institutionen und Unternehmen nachhaltig bereichern kann.
Stephan Mies: Im Kern hat sich das Tablettieren seit seiner Entstehung nicht wirklich verändert. Heute aber können wir mithilfe dieser digitalen Technologien viel mehr ins Detail gehen. Rezepturentwicklungen müssen beispielsweise ja erst einmal im kleinen Maßstab betrieben werden. Durch die Simulation des Tablettierverhaltens bei einer neuen Rezeptur von Wirk- und Hilfsstoffen werden Zeit und Kosten gespart. Darüberhinaus lässt sich durch das Zusammenspiel unserer Produkte zum Beispiel das Thema der Wirkstoffverteilung noch besser beleuchten. Nicht zuletzt ist man auch im entscheidenden Prozess der Rezepturvalidierung durch eine vorherige Simulation weitaus sicherer und schneller.
KORSCH:Redaktion: Wie komplex gestaltet sich die Maschinenbedienung?
Ingrid Coyle: Ein wichtiger Bestandteil unseres unternehmerischen Selbstverständnisses als Dienstleister ist das Training an und mit unseren Geräten innerhalb unseres „Science Lab“. Ohne im Detail auf die technische Ausstattung des Science Lab eingehen zu wollen, möchten wir vielmehr betonen, dass unsere Wissenschaftler und Labortechniker bestens für die Partikel-Charakterisierung und das Testen von Formulierungen gewappnet sind. Schließlich muss ich nicht nur die Geräte bedienen können, sondern es kommt vielmehr darauf an, die gesammelten Daten zu interpretieren und gewinnbringend einzusetzen. Das kann in frühen Entwicklungsphasen wichtige Aufschlüsse darüber geben, welche Modifikationen am Produkt noch stattfinden sollen, um sicher und effizient produzieren zu können.
Stephan Mies: Es gibt mir aber auch Rückschlüsse für die Auswahl der späteren Tablettieranlage: welches Füllsystem, welche Presskräfte, welche Rotorgeschwindigkeit, etc. Die Basisdaten für die Simulation stammen aus den Erfahrungswerten der gängigen Tablettierfabrikate, so eben auch derer von KORSCH.
KORSCH:Redaktion: Welche Projekte haben Sie für die Zukunft geplant?
Bruno Villa: MEDELPHARM plant, die aktuellen Technologien für die F&E-Tablettierung weiter zu verbessern. Ein Beispiel: Wir werden die wachsende Nachfrage nach „Containment“-Lösungen für STYL’One Evo und Nano erfüllen, die im Jahr 2021 im Einklang mit unserer Strategie „hochinnovative Technologien einem breiten Publikum zugänglich zu machen“, verfügbar sind.
Stephan Mies: Der Markt wird ganz sicher den Sinn unserer Zusammenarbeit und den damit verbundenen Benefit für die Kunden sofort verstehen. Unterstreichen werden wir dies durch gemeinsame Auftritte in Seminaren, Pharmaforen und auf Messen. Peu à peu werden wir unsere Kooperation auch in anderen Bereichen vertiefen. Mit MEDELPHARM an unserer Seite erschließen wir uns weitere Erkenntnisse über die Neuentwicklung und Optimierung von Produkten und Rezepturen – davon werden unsere Kunden direkt profitieren. Die Datenerfassungs- und Analysearbeit von MEDELPHARM ist eine hervorragende Ergänzung für unsere Produkte und die gesammelten Daten zum Tablettierverhalten sind der Schlüssel zum späteren Scaling-up. Ein interessantes Thema aus der näheren Zukunft werden individualisierte Formen der Medikamentierung bis hin zum Tablettendruck sein. Zuletzt hat beispielsweise Amazon bekanntgegeben, in den Markt der Onlineapotheken einsteigen zu wollen. Mit dem detaillierten Konsumentenwissen eines solchen Konzerns kann das vieles dynamisieren. Es lohnt sich also für uns immer wieder, das etablierte Herstellungsverfahren dahingehend zu hinterfragen.