Partnerschaft mit Erkenntnisgewinn – auf beiden Seiten
Das Institut für Partikeltechnik (iPAT) an der Technischen Universität Braunschweig beschäftigt sich mit partikulären Feststoffen (siehe Kasten). Weil nicht nur die Erforschung ingenieurs- und naturwissenschaftlicher Grundlagen, sondern auch die der Angewandten Wissenschaften im Fokus stehen, sind dabei die industriellen Bedingungen von hohem Interesse.
Bereichernde Kooperation
Die ersten Berührungspunkte mit KORSCH waren praxisnah: „Mein erster Kontakt mit dem Tablettieren war gleichzeitig mein erster Kontakt mit KORSCH“, erzählt Dr. Jan Henrik Finke, Leiter des Forschungsbereiches „Pharma- und Biopartikeltechnik“. Ein Tablettier-Kurs der Arbeitsgemeinschaft für Pharmazeutische Verfahrenstechnik (APV) bot den Rahmen für einen intensiven, diskursorientierten Austausch und markierte den Beginn der Zusammenarbeit. Die Kooperation ist heute für alle Beteiligten bereichernd, denn: „Wir erfahren von den industriellen Herausforderungen und können den richtigen Fokus setzen – der später auf die unternehmerischen Prozesse übertragbar ist“, erläutert der Bereichsleiter.
Darum kombinieren die in Finkes Forschungsbereich angesiedelten Projekte zur Herstellung und Weiterverarbeitung im Rahmen der Tablettierung das Know-how des Instituts mit dem der involvierten Unternehmen. Neben diesen Interaktionen mit der Praxis ist die Methodik der Modellentwicklung forschungsleitend. Der Wissenschaftler arbeitet mit seinem Team daran, „Baustein für Baustein die komplexen Vorgänge zu erklären, weg vom empirischen Ansatz, hin zu einem physikalischen Verständnis.“ Auf diese Weise lassen sich Kausalketten bilden und Entwicklungen vorhersehbar realisieren – wie zum Beispiel die Wechselwirkungen zwischen den Pulverpartikeln.
Das vorwärtstreibende Ganze
Besonders zwei Aspekte verbinden die Braunschweiger Pharmaforschenden und die Fachleute für Tablettiertechnologie, KORSCH und MEDELPHARM: der Wissensaustausch und die Nutzung des Equipments. Das iPAT agiert mit dem Ziel, Zusammenhänge und Bedingungen zur Tablettierung zu erforschen, KORSCH und MEDELPHARM kennen die weltweiten Bedarfe der Industrie, auf deren Basis sie ihre Produktlinien beständig weiterentwickeln. „Wir bilden ein vorwärtstreibendes Ganzes, das von unseren unterschiedlichen Kernkompetenzen getragen wird“, beschreibt Finke die Partnerschaft.
Nicht nur in Bezug auf das Equipment: Zum einen ist es Bestandteil verschiedener Studiengänge, wie die seit 2014 in Braunschweig stationierte Labor-Rundlaufpresse XL 100 von KORSCH. Auch die Anlagen im Berliner INNOVATION CENTER werden regelmäßig vom wissenschaftlichen Nachwuchs des iPAT genutzt. Das ist besonders effektiv, erklärt der Forschungsleiter, „weil unsere Studierenden von den KORSCH-Fachleuten direkte Hilfestellung an den Maschinen erhalten können.“ Zum anderen sind die partikeltechnischen Arbeiten des iPAT nicht ohne die Tablettiertechnologie von KORSCH und MEDELPHARM denkbar. Das Equipment kommt zurzeit in zwei Projekten des Instituts zum Einsatz, beide von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Aktuelle Forschungsarbeiten
Das Projekt „STRAP“, das die Auswirkungen unterschiedlicher Formulierungen auf den Tablettierungsprozess untersucht, bringt die Expertisen der Universitäten Braunschweig und Bordeaux zusammen und unterstreicht damit die deutsch-französische Achse der beiden Tablettierungsspezialisten. Ein weiteres Projekt am iPAT zum Thema „Matrizenfüllung in Rundlauftablettenpressen“ will den Prozess tiefgreifend verstehen, da die Vollständigkeit und Konstanz in der Tablettierung qualitätsbestimmend sind, insbesondere in der pharmazeutischen Industrie. Daher modelliert das Forscherteam die Einflüsse der Material- und Maschinenparameter auf die Füllergebnisse unterschiedlich fließender Pulver – um quantitative Vorhersagen zu treffen.
Wissenschaft und Praxis profitieren voneinander
Das iPAT, KORSCH und MEDELPHARM kooperieren nicht einfach nur; die drei verbindet eine langjährige, gelebte Partnerschaft mit gemeinsamem Erkenntnisgewinn: Für Dr. Friederike Gütter, Verfahrensspezialistin im Berliner INNOVATION CENTER von KORSCH sind es vor allem die wissenschaftlich begründeten Ergebnisse, die die Zusammenarbeit einzigartig machen: „Unsere Fachleute kennen die Maschinen und haben viel Know-how und Erfahrung, die sie in Maschinenkonfigurationen umsetzen. Aber welche Materialeigenschaften während einer Produktion auf einem spezifischen Tablettenpressenmodell zu einer guten Fließfähigkeit und Tablettenqualität führen – das steht nirgends in der Fachliteratur, und hier profitieren wir vom Wissen, das am iPAT aufgebaut wird.“
KORSCH-Verfahrensspezialist Dr. Moritz Rosch ergänzt: „Eine Forschungseinrichtung wie das iPAT kann bei Lösungsansätzen für Kundinnen und Kunden noch mehr in die Tiefe gehen als wir. Umgekehrt können wir mit unserem Know-how und unseren Geräten die Forschung unterstützen.“ Jan Henrik Finke jedenfalls inspiriert es, dass hier ein „freier, kreativer Forschergeist auf die besten Maschinen trifft“ – und ihn persönlich als Wissenschaftler begeistert immer wieder, „wenn eine Forschungsidee in einer Maschine oder industriellen Anwendung so umgesetzt wird, dass diese noch besser funktioniert“.
Das Projekt „STRAP“ – Scale TRAnsfer in Pharmaceutical compression – from compaction simulators to rotary presses
Das Projekt STRAP wird als Kooperation zwischen dem Institut für Partikeltechnik (iPAT) der Technischen Universität Braunschweig und dem Institut Mécanique et d’Ingénierie (I2M) der Universität Bordeaux umgesetzt. Die Projektleitung liegt bei Dr. Jan Hendrik Finke in Braunschweig und Dr. Vincent Mazel in Bordeaux. STRAP untersucht auf dem Kompaktierungssimulator Styl’One Evo und der XL 100 die Auswirkungen unterschiedlicher Formulierungen auf den Gesamtprozess.
Dazu widmet sich das deutsch-französische Team den beiden qualitätsbestimmenden Subprozessen „Füllen“ und „Kompaktieren“ an Rundlaufpressen. Das iPAT erforscht dabei das Materialverhalten beim Füllen der Matrizen auf dem Kompaktierungssimulator und dessen Übertragung auf die Rundlaufpresse, das I2M fokussiert sich auf den Verdichtungsprozess und die Reproduzierbarkeit von Tablettierfehlern. Nach den separaten Analysen werden die Ergebnisse in Beziehung gebracht, um daraus eine sichere Vorhersage von Prozessparametern und korrelierten Produkteigenschaften auf industriellen Maschinenskalen abzuleiten.
Das Institut für Partikeltechnik der Technischen Universität Braunschweig (iPAT)
Das iPAT untersucht die Herstellung, Handhabung, Formulierung und Verarbeitung von partikulären Feststoffen und erforscht die zugrunde liegenden physikalischen und chemischen Zusammenhänge.Diese komplexen Aufgabenstellungen werden interdisziplinär bearbeitet: Ingenieure und Ingenieurinnen verschiedener Fachrichtungen arbeiten mit naturwissenschaftlichen Fachleuten Hand in Hand; konzeptioneller Bestandteil aller Projekte ist auch die Zusammenarbeit mit der Industrie.
Über Jan Henrik Finke
Dr. Jan Henrik Finke promovierte 2014 zum Thema „Manufacturing colloidal drug delivery systems in customized microsystems: Characterization of process efficiency and interactions“. Seit 2017 leitet er am iPAT den Forschungsbereich „Pharma- und Biopartikeltechnik“. Zusätzlich ist er seit 2020 am Fraunhofer-Institut für Schicht- und Oberflächentechnik in Braunschweig als Senior Scientist tätig; an der Friedrich-Schiller-Universität in Jena hatte er vorübergehend die Vertretungsprofessur für „Pharmazeutische Technologie“ inne.