Mit dem Wissen über die Rohstoffe fängt alles an
Fundiertes Wissen über den zu formulierenden Wirkstoff (API) und die dafür benötigten Hilfsstoffe ist eine Grundvoraussetzung für die erfolgreiche Entwicklung einer pharmazeutischen Darreichungsform. Dies gilt im Besonderen für den Bereich der Direkttablettierung. Denn die Vielfalt der verschiedenen Materialien ist groß: Von Füllstoffen über Zerfallsbeschleuniger und Fließmittel bis hin zu Geschmacksmaskierern bieten Zulieferer die gesamte Bandbreite. Für eine robuste Formulierung und eine sichere Lieferkette, die die eventuelle Variabilität eines Produkts deckt, ist der Dialog mit den Rohstoff- und Anlagenlieferanten wichtig. Auch koprozessierte Hilfsstoffe können eine Lösung darstellen. Diese sind eine Kombination verschiedener Materialien, die durch die physikalischen Mitverarbeitungsprozesse andere Funktionalitäten als durch eine einfache Vermischung erhalten.
Schritt für Schritt zur optimalen Lösung
Für die Auswahl der benötigten Hilfsstoffe erfolgt zuerst eine umfassende Charakterisierung des APIs. Im zweiten Schritt wird aus der Interpretation der API-Charakterisierung der bestgeeignete Produktionsprozess definiert. Kann eine Direktverpressung durchgeführt werden oder ist eine vorangestellte Trocken- oder Nassgranulierung erforderlich? Zudem muss die erwartete Produktionsmenge berücksichtigt werden und auf welcher Presse später produziert werden kann oder soll. „Wenn über kontinuierliche Produktion nachgedacht wird, sollte dies ebenfalls direkt zu Beginn einbezogen werden“, rät Thorsten Cech, Manager European Application Lab bei BASF, denn eine spätere Umstellung sei selten problemlos möglich. Hierbei sind auch potenzielle nachgelagerte Prozesse, wie etwa das Coating, zu betrachten. Nicht zuletzt müssen die Lagerungszeit und damit die erforderliche Stabilität bedacht werden. Es ist zudem ratsam, in der Formulierungsphase mehr als nur einen Produktionsprozess in Betracht zu ziehen, falls in einem späteren Entwicklungsstadium Probleme auftauchen sollten. Auf Basis der Ergebnisse aus den API-Eigenschaften und der Produktionsparameter lassen sich im dritten Schritt die benötigten Hilfsstoffe selektieren.
Unterstützung durch Datenbanken und Software
Ziel ist es, möglichst schnell eine stabile Formulierung zu entwickeln, um die „Time to Market“ zu verkürzen. Dazu gibt es vielfältige Unterstützung: Datenbanken der Kompaktierungssimulatoren- und Tablettenpressensoftware helfen dabei, den individuellen Fingerabdruck des API und der Hilfsstoffe unter immer gleichen Prozessparametern zu bestimmen. Das beinhaltet verschiedene Eigenschaften wie Kompaktierbarkeit, Tablettierbarkeit, Kompressionsfähigkeit, Elastizität, elastische Rückdehnung und weitere.
Simulatoren, wie die STYL’One Evo von KORSCH-MEDELPHARM, bieten die Möglichkeit der präzisen funktionellen Charakterisierung in Hinblick auf das Verhalten bei der Tablettierung. Dies stellt eine wertvolle Ergänzung zur Charakterisierung laut Pharmakopöe dar, die sich primär mit mechanischen Produkteigenschaften (wie beispielsweise der Fließfähigkeit) befasst. Vorteil ist zudem, dass das Know-how im Unternehmen bleibt, da die Messdaten in der Software der Tablettenpresse als Wissensdatenbank gespeichert werden
Eine darauf aufbauende und ergänzende Möglichkeit bietet der Algorithmus der Softwarelösung ZoomLab™ von BASF. Dieser leitet den Nutzer mittels leicht nachvollziehbarer Tests und Fragen durch die Charakterisierung des API und ermittelt so eine Auswahl möglicher Hilfsstoffe für die Formulierung. Dazu greift die Software auf eine umfangreiche Datenbank zurück, die sowohl Rohstoffe aus dem eigenen Unternehmen als auch weiterer Lieferanten beinhaltet. „Unser virtueller Pharma-Assistent ZoomLab™ hilft dem Entwickler, zeit- und kostenaufwendige Testreihen zu vermeiden“, erklärt Thorsten Cech.
Besonders für die Charakterisierung kleiner Materialmengen eignen sich Kompaktierungssimulatoren. Sie ermöglichen den Test zahlreicher unterschiedlicher Kompaktierungsprofile, zum Beispiel Sägezahnprofile bei konstanter Stempelgeschwindigkeit. „Dies ist ein immenser Vorteil, wenn der Wirkstoff nur in geringer Menge verfügbar oder sehr teuer ist,“ erläutert Bruno Leclercq, Manager Business Development von MEDELPHARM.
Quality by Design verbessert Entwicklungsprozess maßgeblich
Der Gamechanger in den letzten Jahren bei der Rohstoffauswahl und der Suche nach der optimalen Formulierung sei Quality by Design gewesen, so Thorsten Cech. „Ein Produkt mit möglichst geringer Variabilität herzustellen, ist von größter Bedeutung“, betont er. Deshalb gilt es zu definieren, welche Prozessparameter und Hilfsstoffeigenschaften Einfluss auf die Qualitätsattribute der fertigen Tablette haben. Diese beschreiben den Design Space, in dessen Rahmen die Arzneimittelqualität konstant bleibt und keinen großen Schwankungen ausgesetzt ist, sodass eine dauerhaft gleichbleibend hohe Qualität gewährleistet ist. Zur Untersuchung der Variabilität dient das sogenannte Design of Experiments. Dabei werden die einzelnen prozess- und produktrelevanten Faktoren untersucht und unabhängig voneinander variiert, um so ihren Effekt auf die Zielgröße zu ermitteln und ein umfassendes Ursache-Wirkungs-Modell abzuleiten. Daraus lässt sich ablesen, ob die angestrebten Ziele erreichbar oder bestimmte Zielvorgaben widersprüchlich sind.
Auch gilt es bereits im Vorfeld, mögliche Probleme beispielsweise durch einen Lieferantenwechsel, eine Änderung des Produktionsstandortes oder Ähnliches zu minimieren.
ÜBER BASF:
BASF gehört zu den weltweit führenden Herstellern von Hilfsstoffen für die pharmazeutische Industrie. Ein umfassendes Portfolio adressiert die Bedürfnisse im Bereich oraler, dermaler sowie parenteraler Anwendungen. Zudem werden Solubiliser zur Verbesserung der Löslichkeit und Bioverfügbarkeit von Wirkstoffen angeboten. Ergänzt wird das Portfolio mit Produkten speziell für BioPharma-Anwendungen. Für die Formulierung von Tabletten bietet BASF unter anderem Bindemittel, Füllstoffe, Zerfallsbeschleuniger, Gleit- und Schmiermittel sowie koprozessierte All-in-One-Produkte wie das 2021 auf den Markt gekommene Kollitab™ DC 87 L an.
Das European Application Lab in Ludwigshafen ist bestens ausgestattet und verfügt etwa über das F&E-Equipment von KORSCH-MEDELPHARM wie die Tablettenpressen XP 1, XL 100 und den Kompaktierungssimulator STYL’One Evo. Es wird sowohl für eigene Versuche als auch für die Kundenberatung genutzt.
Die von BASF entwickelte Software ZoomLab™ unterstützt Pharmaunternehmen mit ihrem Algorithmus aktiv bei der Auswahl der Hilfsstoffe und der Ausgangsformulierung.